Auf Grundlage der Menschenkunde Rudolf Steiners wird durch einen rhythmischen Tagesablauf, durch künstlerisches und handwerkliches, musikalisches und sprachliches Tätigsein eine gesunde kindgemäße Entwicklung ermöglicht. Die Waldorfpädagogik orientiert sich an der Entwicklung des Menschen. Sie richtet sich nach den Bedürfnissen der Kinder und bietet einen schützenden Rahmen, einen sicheren Raum, in dem sich das Kind in Ruhe entfalten kann.
Geborgenheit, Verlässlichkeit und Hülle geben den Kindern Sicherheit und sind die Grundlage für eine gesunde Entwicklung der Kinder. Der rhythmisch gestaltete Tages-, Wochen- und Jahreslauf und das bewusste Wiederholen bekannter Tätigkeiten wirken auf die Kinder in besonderem Maße willensstärkend und geben ihnen Orientierung und Selbstvertrauen.
Rhythmus und Wiederholung
Rhythmus ist das organisierende Prinzip allen Lebens. In allen lebendigen Prozessen sind Rhythmen wiederzufinden: Wechsel der Jahreszeiten, Tag und Nacht, Herzschlag, Atem. Rhythmus ist flexibel, nicht starr, er ist Ruhe in der Bewegung. Er wirkt kräftigend, harmonisierend und ordnend und daher gesundend auf die sich noch im Reifungsprozess befindlichen Organe und Organtätigkeiten. Ein Grundrhythmus im zeitlichen Geschehen durch wiederkehrende Elemente und Rituale gibt den Kindern Orientierung und die notwendige Sicherheit, sich ganz spontan auf das, was gerade ansteht, einlassen zu können.
In Waldorfkindergarten und -krippe wird nicht nur der Tages-, sondern auch der Wochen- und Jahresrhythmus gepflegt. Der rhythmisch immer wiederkehrende Tagesablauf mit Bewegung und Ruhepausen (Einatmen – Ausatmen) wird für die Kinder in besinnlichen und heiteren Phasen erlebbar. Im freien Spiel mit anderen Kindern verschiedenen Alters und bei gemeinsamen Mahlzeiten hat das Kind täglich die Möglichkeit, das eigene soziale Verhalten zu üben und selbständig zu werden.
Die Eckpunkte eines festen täglichen Rhythmus bilden in den Kindergartengruppen: das Freispiel im Innenbereich, der Reigen, das gemeinsame Frühstück, das Spiel im Freien, die Märchenzeit und das Vesper bzw. Mittagessen. Der Alltag wird in Form von Ritualen (z.B. Dankesspruch vor und nach den Mahlzeiten oder “Öltröpfchen“ nach dem Händewaschen) für die Kinder nachvollziehbar.
Die Woche erhält ihre Gestalt dadurch, dass bestimmten Wochentagen bestimmte Aktivitäten zugeordnet werden (z.B. Bienenwachskneten, Aquarellmalen, Eurythmie, Waldtag).
In der Krippe werden die Rhythmen und Rituale gut abgestimmt auf die Kleinen. Hier kommen noch Schlafpausen und Pflegephasen hinzu.
Eine weitere große Rolle spielen Feste. Die wiederkehrenden Jahresfeste vermitteln dem Kind die zeitliche Ordnung des Jahres. Durch das Feiern der Feste werden die Kinder sensibilisiert für die Rhythmen der Natur und die kulturellen und religiösen Inhalte der Feste. Durch den wöchentlichen Waldtag der Kindergartengruppen werden die Rhythmen der Natur durch das Jahr hindurch für die Kinder in ganz besonderem Maß erlebbar.
Wir wollen im Kindergarten und in der Krippe Raum und Möglichkeiten bieten, alles, woran das Kind gerade arbeitet, zu intensivieren. Das betrifft die leibliche Entwicklung der Sinnesorgane und der inneren Organe, die körperliche Geschicklichkeit, die Sprachentwicklung, die Ausbildung der Phantasie und der schöpferischen Kräfte sowie das soziale Verhalten.
Im freien Spiel, drinnen wie draußen, kann das Kind mit einfach gestaltetem, naturbelassenem Spielmaterial (wie z.B. Holzklötzen, Bändern, Tüchern) seine Phantasie entfalten und Eigenaktivität entwickeln. Die Sprachentwicklung wird durch Wiederholung von Versen, Reimen, Liedern, Fingerspielen, Reigen und Märchen gefördert. Vielfältige Wahrnehmungen in der Natur können für das Kind gute Grundlagen zur Ausbildung seiner Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Tasten, Gleichgewicht) schaffen. Das Klettern und Kraxeln auf Felsen, Bäumen, über Steine, Baumstümpfe, Gras und viele Unebenheiten fördert u.a. die Geschicklichkeit im motorischen Bereich. Diese Geschicklichkeit hat später Einfluss auf die Fähigkeit, lesen und schreiben zu lernen, komplexe Vorgänge zu begreifen sowie auf die Toleranz, den Gerechtigkeitssinn und die Empathiefähigkeit.
Vorbild und Nachahmung
Bildung und Lernen finden durch die freie Nachahmung tätiger Vorbilder statt. Das Kind lernt am und durch den erwachsenen Menschen. Lebenspraktische, hauswirtschaftliche, handwerkliche und künstlerische Tätigkeiten werden durch den Erziehenden in eine solche Form gebracht, dass die Kinder sie aktiv mitmachen.
Die Nachahmung ist die Fähigkeit des Kindes, sich vollkommen mit seiner Umgebung und den vertrauten Menschen zu verbinden. Alles, was das Kind wahrnimmt, sowohl die äußere Umgebung als auch das alltägliche Geschehen, die Haltung des Erwachsenen sowie dessen Verhalten in Bezug auf seine Umwelt macht tiefen Eindruck auf das Kind und hat Vorbildcharakter. Die Arbeiten und Tätigkeiten, die der Erwachsene im Beisein der Kinder verrichtet, wirken besonders anregend, sodass die Kinderhände gerne mitschaffen und -gestalten. So dürfen die Kinder beim Tischdecken helfen, selber nähen, reparieren usw. Durch das Tätigsein schafft der Erwachsene eine spielfördernde Atmosphäre, denn das Spiel ist für das Kind, was die Arbeit für den Erwachsenen ist.